Ausserhalb von Dakhla entdecken wir die Bricolage des Lebens am Kilometer 25.

Die West Sahara ist ein «Nicht-Staat», eine Zusammenwürfelung marokkanischer Territorialansprüche sowie Großmachtvorstellungen und auf Notwendigkeiten beschränkte Lebensentwürfe der zivilen Bevölkerung: umstritten annektiert von Marokko in den 1970er Jahren, von den Sahrawis - dem nomadischen Berbervolk - vehement zurückgefordert. Es ist ein latent schwelender Konflikt. Man liest über die West Sahara auch als einen großen nutzlosen Sandkasten, der nichts bietet. Natürlich sind neben dem Großmacht Bestreben Marokkos auch Bodenschätze und reiche Fischgründe Begehrlichkeiten in dieser abgeschiedenen Region. Abseits von Zwist und vermeintlicher Leere treibt südlich von Laayoune das Leben aber auch seine Blüten: teils skurrile, teils fragwürdige.

Zum einen sind es die etwa 160.000 vertriebenen Sahrawis, die in Tindouf am westlichen Rand dieser Großregion (etwas kleiner als Italien) in permanenten Zeltstädten unter extremen Umständen ein trauriges Leben fristen und auf eine Rückkehr in ihre Heimat hoffen. Zum anderen sind es die an der Küste von der marokkanischen Regierung angesiedelten Landsleute, die - wirtschaftlich massiv durch den Staat subventioniert - in dieser Öde ein normales Leben aufbauen sollen, und so Marokkos Anspruch auf das Land einzementieren - Assimilation, Infrastrukturprogramme und Subvention statt offene Konfrontation.

Und dann gibt es dort auch diese verrückten Europäer, die am Kilometer 25 - kurz außerhalb von Dakhla - in einem zum Dauercamp mutierten Trailerpark für abenteuerlustige Frührentner und Hobby Nomaden leben.

Genau dort trafen wir auf Rene und Luisa. Er Schweizer Eidgenosse, der vor Jahrzehnten ausgewandert war. Luisa, eine Madrilenin, die dem etwas kauzigen Schweizer bis zum letzten Sandkorn des Maghreb folgt. Zusammen ergeben sie ein ungleiches Paar, eine bunte Mischung. Um sie herum trifft man auf etwa zwei Dutzend weitere Pärchen, die dem System und dem Winter der italienischen, französischen oder spanischen Heimat entflohen sind. Manche leben bereits seit Monaten hier. Zahlreiche Satellitenschüsseln am Dach ihrer mobilen Häuser sind auf die Flugbahnen der Eutelsat Satelliten ausgerichtet. Man will ja nichts zu Hause verpassen. Ein paar Kilometer weiter, man durchfährt das quirlige Dakhla, verlässt es staunend in südliche Richtung und erreicht die Spitze der Dakhla Halbinsel. Auch dort trifft man auf eine sehr improvisierte Siedlung.

Die Motivation, die zur Entstehung dieser geführt hat, ist aber ungleich des europäischen Fancy-Campervan-Konglomerats nördlich der Stadt. An der Südspitze leben zum Teil bitterarme Fischer in Baracken und ärmlichen Fischerdörfern. Darunter mischen sich hier und da einige Vertriebene, Vergessene und die Unerwünschten. Sie wurden buchstäblich aus Dakhla heraus an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Weil sie zum Beispiel dem autoritären Staat nicht folgen wollen. Wo andernorts Rene - gut gebräunt und mit seinem zufriedenen Gesichtsausdruck darüber spricht, dass es den Leuten hier gar nicht so schlecht erginge, auch wenn die Regierung hart durchgreife, «Zum Essen hat hier jeder genug», hört man südlich der Stadt auch Gegenteiliges: es ist ein hartes, entbehrungsreiches Leben. Man hat hier wenig zu lachen. Dazwischen die Stadt Dakhla. Es scheint alles seinen gewohnten Lauf zu nehmen: emsiges Treiben, ein buntes Gewirr aus Handel, Handwerk und Gastronomie.

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Auch Luisa weiß von der strittigen politischen Situation der Region, sie nimmt davon Notiz, aber diese großen Zusammenhänge tangieren sie nur am Rande. Hier im Trailer und Campervan Park am Kilometer 25. Benannt von der marokkanischen Polizei nach dem gleichnamigen Kilometerstein, von dem aus die Straße zu Rene und Luisa führt. Luisa hat gerade wieder eine ihrer Puppenhäuschen - in diesem Fall - ein Berberzelt samt Einrichtung im Miniaturformat - fertiggestellt und zeigt uns dieses feierlich: «Das ist das, was ich hier mache, während Rene surft. Ich sammle allerhand Zeug am Strand zusammen und mache daraus neue Dinge. Aus Müll und Unrat wird Neues. Das machen wir hier.»